DpL-Verfassungsinitiative zum Einbezug des Volkes bei der Bestellung der Regierung
Mit dieser Verfassungsinitiative beabsichtigen die Demokraten pro Liechtenstein (DpL), die demokratischen Volksrechte auszubauen. Neu soll der Stimmbürger bei der Wahl der Regierung massgeblich mitbestimmen können.
WO LIEGEN DIE VORTEILE?
Das Volk entscheidet in einer demokratischen Vorauswahl, wer in die Regierung bestellt werden kann. Mit der vorgeschlagenen Anpassung der Bestellung der Regierung werden die Rechte und die Stellung des Landesfürsten nicht eingeschränkt. Die Regierung wird wie bisher vom Landesfürsten ernannt. Die Regierung bleibt dem Landesfürsten und dem Landtag verantwortlich. Aufgrund des Einbezuges des Volkes bei der Bestellung der Regierung wird das Monopol der Grossparteien, insbesondere von deren Parteiausschüssen, auf das alleinige Vorschlagsrecht der Regierungskandidaten aufgeweicht. Dadurch wird die Regierungsbestellung transparenter und demokratischer, weil nicht mehr Parteitage die Regierungskandidaten nominieren, sondern das ganze Stimmvolk. Dadurch wird es den Parteien künftig verunmöglicht, nach den Wahlen ihre vorgeschlagenen Personen auszutauschen. De facto würden die nichtöffentlichen Absprachen zwischen den Parteien neu durch eine öffentliche Volkswahl ersetzt.
Bei einem Einbezug des Stimmvolkes bei der Wahl der Regierungsmitglieder würde auf jeden Fall die Auswahl grösser und damit voraussichtlich auch die Qualität der gewählten Regierungsmitglieder besser. Schliesslich fördert Wettbewerb die Qualität. Ausserdem können die Wähler Regierungsmitglieder, die ihren Wertvorstellungen entsprechen und ihren Positionen vertreten, in die Regierung wählen.
Mit der Umsetzung dieser Verfassungsänderung wird nicht nur die Legitimation der Regierung, sondern auch der Landtag gestärkt. Es ist zu erwarten, dass dann mehr Sachpolitik und weniger Parteipolitik betrieben wird. Dies, weil die Gewaltentrennung durch den Einbezug des Volkes bei der Bestellung der Regierung geschärft wird. Der Landtag kann durch eine grössere Distanz zur Regierung deren Vorlagen kritischer als bisher unter die Lupe nehmen und seiner zugeteilten Rolle als Gesetzgeber und Kontrollorgan der Regierung wieder einen Schritt näherkommen.
WELCHE BEDENKEN BESTEHEN?
Als Argument wird immer wieder vorgebracht, dass das neue System Unsicherheiten in Bezug auf die politische Stabilität mit sich bringe und deshalb abzulehnen sei. Diese Befürchtung ist unbegründet und ein von den Regierungsparteien gerne vorgeschobenes Argument gegen die Mitbestimmung des Stimmvolkes, denn sie müssen um ihren Einfluss und ihr Monopol bei der Regierungsbestellung und Festlegung der Zusammensetzung der Regierung fürchten. Man erinnere sich an das Ränkespiel um die ehemalige Regierungsrätin Eggenberger.
Was würde sich ändern, wenn ein Kandidat einer Oppositionspartei in die Regierung gewählt würde? Nicht viel, ausser dass die vom gewählten Regierungsvertreter vertretenen politischen Positionen im Regierungsprogramm ebenfalls ihren Niederschlag finden würden. Vor dem Hintergrund der konsensorientierten politischen Kultur in Liechtenstein ist deshalb nicht davon auszugehen, dass es überhaupt zu Blockade-Situationen zwischen Regierung und Landtag kommt, weil die Regierung nach wie vor über eine sehr komfortable Mehrheit im Landtag verfügen wird. Übrigens: Schwierige Entscheide werden bei uns in der Regel auch von der Opposition mitgetragen.
Mit dem Verfassungsvorschlag steigt die Wahrscheinlichkeit, dass in Zukunft nicht nur zwei, sondern vielleicht drei Parteien in der Regierung vertreten sind. Damit entsteht eine grössere Vielfalt in der Exekutive, was ein Vorteil sein wird. Die Kollegialregierung wird, wie bereits erwähnt, auch in Zukunft über eine Mehrheit im Landtag verfügen, denn die Wahlvorschläge werden auch in Zukunft von den im Landtag vertretenen Wählergruppen oder Parteien kommen.
ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF
Das bestehende Wahlsystem weist gewisse Mängel auf, die mit dem Verfassungsvorschlag der DpL behoben werden können. Im bestehenden Wahlsystem hat der Wähler nur indirekten Einfluss auf die personelle Besetzung der Regierung. Im Vorfeld der Landtagswahlen nominieren die Parteien Regierungsmitglieder, die sie nach erfolgreicher Landtagswahl in die Regierung zu entsenden gedenken. In der Regel nominieren die stimmenstärksten Parteien zwei Regierungsräte und einen Spitzenkandidaten für das Amt des Regierungschefs. Gehen die stimmenstärksten Parteien nach der Landtagswahl einen Koalitionsvertrag ein, dann bilden fünf der insgesamt sechs nominierten Kandidaten die zukünftige Regierung. Kommt kein Koalitionsvertrag zustande, muss die stimmenstärkste Partei zwei weitere bis dahin unbekannte Regierungsmitglieder nachnominieren. Parteiinterne Auseinandersetzungen können dazu führen, dass Regierungsratskandidaten nach der Wahl noch ausgetauscht werden. Beide Situationen sind für den Wähler unbefriedigend und bilden den Volkswillen nicht korrekt ab. Noch unbefriedigender für den Wähler ist aber, dass er in der geltenden Regelung in der freien Wahl der Abgeordneten eingeschränkt ist. Denn wenn er einen bestimmten Regierungskandidaten einer ersten Partei in der Regierung haben, andererseits Landtagskandidaten einer anderen Partei den Vorzug geben möchte, dann steht er vor einem nicht lösbaren Interessenkonflikt.
WIE SOLL DIE BESTELLUNG DER REGIERUNG ZUKÜNFTIG VONSTATTENGEHEN?
Die Nomination der Regierungskandidaten zuhanden einer Volkswahl bleibt bei den Parteien oder Wählergruppen. Gemäss Verfassungsvorschlag wählen die Stimmbürger der beiden Wahlbezirke Unterland und Oberland jeweils in geheimer Wahl aus den nominierten Regierungskandidaten zwei Regierungsmitglieder. Der Regierungschef wird wahlbezirksübergreifend gewählt. Die Wahl der Regierungsmitglieder und des Regierungschefs findet gleichzeitig mit den Landtagwahlen statt. Die vom Stimmvolk gewählten Regierungsvertreter werden dann zuerst dem Landtag als Vorschlag unterbreitet.
Der Landtag prüft sodann die Volkswahl, spricht den durch das Volk ausgewählten Regierungskandidierenden das Vertrauen aus und empfiehlt diese dem Landesfürsten zur Ernennung.
Der Landesfürst ernennt dann die Regierungskandidaten wie bisher.
Spricht der Landtag dem Vorschlag des Volkes das Vertrauen nicht aus, kommt es innerhalb von sechs Wochen zu Neuwahlen des Landtags und der Regierung. Verweigert der Landesfürst die Ernennung eines Regierungskandidaten, dann findet eine Ersatzwahl für den nicht ernannten Regierungsvertreter innerhalb von sechs Wochen statt.
WAS SIND UNMITTELBARE KONSEQUENZEN UND VORTEILE DER VERFASSUNGSÄNDERUNG?
Bezüglich Machtfülle ändert sich für den Landesfürst nichts, er behält das Ernennungs- und Abberufungsrecht einzelner Regierungsmitglieder wie auch der Gesamtregierung. Auch der Landtag behält das Abberufungsrecht für einzelne Regierungsmitglieder wie auch für die Gesamtregierung.
Durch den verbindlichen Wahlvorschlag des Stimmvolkes zuhanden des Landtages kann der Wähler bei Landtagswahlen seine Stimme jeweils den nach seiner Meinung geeignetsten Landtags- und Regierungskandidaten geben. Daher hat der Wähler grösseren Einfluss auf die Zusammensetzung der Regierung, und die Auswahl an Kandidaten wird tendenziell grösser.
Der Landtag verliert formal das Vorschlagsrecht. Materiell wurde das bestehende Vorschlagsrecht bislang ohnehin nicht ausgeübt. In der Staatspraxis nominierten die Parteien zuhanden des Landtages Kandidierende. Der Landtag genehmigte jeweils den Nominationsvorschlag der in den Landtagswahlen siegreichen Parteien.
WIE WEITER?
Die Verfassungsinitiative wurde Anfang Juni 2023 bei der Regierung zur Vorprüfung eingereicht. Im September 2023 wird die Regierung voraussichtlich den vorgelegten Verfassungsentwurf dem Landtag zur Prüfung vorlegen. Nachdem der Landtag die Initiative als verfassungskonform erklärt hat, wovon ausgegangen werden kann, werden wir mit der Unterschriftensammlung beginnen. Diese wird voraussichtlich ab Mitte September stattfinden können.
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