Unreflektiert digital
Im Jahr 2011 verabschiedete das Parlament das e-Government-Gesetz (E-GovG). Dieses Gesetz ist die Grundlage für die Digitalisierung in Liechtenstein. Als Zweck wird in diesem Gesetz insbesondere die Förderung rechtserheblicher elektronischer Kommunikation sowie die Sicherstellung einer effizienten und wirtschaftlichen Verwaltungstätigkeit durch den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel erwähnt.
ALTERNATIVLOSDIGITAL
Im Dokument «E-Government Strategie Liechtenstein» (datiert April 2019, siehe QR-Code*) sind u. a. folgende Worte zu finden: «Obwohl die Landesverwaltung stark auf E-Government setzt, wird Bürgerinnen und Bürgern weiterhin ein nicht-elektronischer Zugang zu sämtlichen Leistungen der Verwaltung ermöglicht.»
DIE REALITÄT
Kürzlich informierte die Steuerverwaltung, dass ab Januar 2025 die Abwicklung sämtlicher Mehrwertsteuergeschäfte obligatorisch über das neue eMWST-Portal erfolgt. Für diese Nutzung wird die eID (elektronische Identität) benötigt. In der Schweiz wird die MWSt-Abrechnung elektronisch eingereicht. Dafür braucht es allerdings keine elektronische Identität.
Wie kommt es in Liechtenstein zu diesem Sinneswandel und womit rechtfertigt sich dieser?
DISKRIMINIERUNG NICHT-DIGITALER MENSCHEN
Es gibt sie noch – Menschen, die nicht-digital leben. Es ist bedenklich, wenn in einer angeblich modernen Gesellschaft Mitmenschen zugunsten einer ungehemmten Digitalisierung in ihrem Alltag diskriminiert werden.
CHANCEN, RISIKEN
Betrachtet man die konsequente, eifrige Umsetzung und die damit erforderlichen Mittel, scheint Geld keine Rolle zu spielen. Kürzlich verschickte die Landesverwaltung die vierfarbige eID-Informationsbroschüre «Meine Identifikation im digitalen Leben» an alle Haushalte. Ganz offensichtlich will man allen die elektronische digitale Identität aufzwingen.
Beim kritischen Lesen der zugesandten Broschüre fällt auch auf, dass nicht ausgewogen informiert wird. Diese Drucksache gleicht einem Verkaufsprospekt. Die Bevölkerung wird unkritisch, einseitig informiert. Eine Abwägung von Chancen und Risiken fehlt. Die Gefahren der Digitalisierung scheinen kein Wort wert zu sein.
KOSTEN UND NUTZEN MÜSSEN HINTERFRAGT WERDEN
Wer garantiert den Nutzen des beträchtlichen Aufwandes, der die Digitalisierung mit sich bringt? Wenn die Digitalisierung zu rationelleren Abläufen führen soll, so muss sich dies im personellen Aufwand niederschlagen. Allerdings stellen wir momentan bei der Landesverwaltung genau das Gegenteil fest.
Gemäss dem Bericht und Antrag Nr. 2024/100 über den Landesvorschlag 2025 (siehe QR-Code**) stellt man fest, dass die Digitalisierung in diversen Amtsstellen zusätzliches Personal erfordert.
Ebenfalls erfährt man, dass die Investitionen in die IT-Infrastruktur der gesamten Landesverwaltung inkl. Gerichte zunehmen.
AUSMASS AN DIGITALISIERUNG IM SCHULALLTAG
Der Stellenwert der Bildung ist unumstritten. Bildung kann als Rohstoff im kleinen Land gesehen werden. Spricht man mit Personen, die am Schulalltag beteiligt sind, existieren jedoch grundlegende Probleme, die den Unterricht negativ beeinflussen. In Anbetracht dessen stellt sich die Frage, was das aktuelle Ausmass an Digitalisierung im Schulalltag rechtfertigt? Wäre es nicht klüger, die grundlegenden Probleme zu lösen, bevor dem «Experiment Digitalisierung» eine derartige Aufmerksamkeit geschenkt wird? Hinzu kommt die Tatsache, dass Neurologen, wie Dr. Manfred Spitzer, seit Jahren u. a. vor den Risiken der Digitalisierung an Schulen warnen.
DIGITALISIERUNG JA, ABER MIT MASS
Die vorausgesagten, strukturellen Defizite der staatlichen Betriebsrechnung für die nächsten vier Jahre sollten zum kritischen Nachdenken anregen. Der grosse personelle und schlussendlich finanzielle Aufwand für die ungehemmte Digitalisierung ist zu hinterfragen.
FAZIT
Ja zur Digitalisierung, aber reflektiert und so, dass die Allgemeinheit einen Nutzen hat. Digitalisierung darf nicht zur Schikane werden! Sowie keine Diskriminierung von nicht-digitalen Menschen – es muss immer eine Wahlfreiheit existieren.
*E-Government Strategie Liechtenstein
https://www.regierung.li/files/attachments/ikr-egovernmentstrategie-a4-d-638354093413066255.pdf
**Landesvorschlag 2025
https://bua.regierung.li/BuA/default.aspx?nr=100&year=2024&backurl=modus%3dnr%26filter1%3d2024
Kommentare
Dieser Artikel hat noch keine Kommentare.